Verbreitet der Stadtrat Corona Sorgen ohne Anlass?

In der letzten Ratssitzung des Stadtrates vor der Sommerpause am 11.07.22 stand auf der Tagesordnung unter TOP 8 die Beschlussdrucksache „Anwendung der Sonderregelungen nach §182 NKOMVG“. 

Den Beschluss finden Sie hier: https://ris.langenhagen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1004669

Den Gesetzestext  zu § 182 finden Sie hier: https://www.nds-voris.de/jportal/?quelle=jlink&query=KomVerfG+ND+%C2%A7+182&psml=bsvorisprod.psml&max=true

Das Ganze hört sich erstmal sperrig an, ist es aber nicht.  In dieser Drucksache ging es darum, dass der Rat gemäß der gesetzlichen Vorgabe die Feststellung trifft, dass in Langenhagen ein „relevantes örtliches Infektionsgeschehen“ vorliegt.

Stellt der Rat der Stadt Langenhagen dies fest, dürfen die Ratssitzungen für die nächsten 3 Monate, hier: bis zum 11.10.22) wieder in hybrider Form durchgeführt werden. Das heißt, dass die Ratsmitglieder selber entscheiden, ob Sie persönlich vor Ort oder lieber von zuhause aus an der Sitzung teilnehmen.

Als erstes redete Ratsmitglied Balk von der FDP/liberale Gruppe zu dem Thema und legte als Volljurist dar, dass er die rechtlichen Grundlagen für diese Entscheidung nicht sieht. Um diese Feststellung zu treffen, führte er aus, benötige es gemäß dem Gesetz, die Feststellung einer epedemischen Notlage nationaler Tragweite. Und diese sei nur durch die Feststellung eines relevanten örtlichen Infektionsgeschehen eben nicht gegeben und deswegen werde die liberale Gruppe dem Beschluss nicht zustimmen.

Als nächstes kam Herr Langrehr von der SPD zu Wort. Er erläuterte wie schwer sich der Rat beim letzten Mal bei der Entscheidung für hybride Sitzungen getan hat und wie hoch die Inzidenzen dort waren.  Wenn wir uns aber damals dann endlich bei einer Inzidenz von 80 dazu entschieden haben, nur noch hybrid zu tagen, dann müssen wir uns heute mit Sicherheit dafür entscheiden, da Langenhagen eine Inzidenz von 700 hat und die Zahlen weiter steigen werden. Dazu verwies er nach Burgdorf wo die Inzidenz aufgrund der Schützenfeste über 1000 gestiegen ist. Die SPD werde daher für den Beschlussvorschlag stimmen. 

Auch wir als WAL haben uns in der Diskussion eingebracht. Hier ist unser Redebeitrag:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Bürgermeister, werte Ratskolleginnen und Ratskollegen, liebe Langenhagenerinnen und Langenhagener,

wie Ratsmitglied Balk bereits sehr umfangreich und deutlich ausgeführt hat, gibt es für diesen Beschluss auch aus unserer Sicht keine rechtliche Grundlage. Der Bundestag hat die Feststellung einer epidemischen Notlage/Pandemie nationaler Tragweise auslaufen lassen und nicht mehr festgestellt. Auch das Land Niedersachsen hat gemäß der Gesetzesvorlage keine Veranlassung gesehen, als Land eine epidemische Notlage für das Land Niedersachsen festzustellen. Von daher werde ich auf die rechtlichen Grundlagen nicht mehr eingehen. Es bleibt festzustellen, es gibt derzeit keine epidemischen Notlage nationaler oder gar landesweiter Tragweite. 

Herr Langrehr Sie haben in ihrer Rede auf die Inzidenzen von 700 verwiesen und das wir genau deswegen diesen Beschluss fassen müssen, um uns zu schützen und handlungsfähig zu bleiben. Herr Langrehr Sie machen hier aber einen erheblichen Fehler, denn seit nun mehr 1 Jahr sagt, das Robert- Koch- Institut, das Paul-Ehrlich-Institut aber auch die Bundesregierung, das die Inzidenz alleine nichts aussagt. Ja es war richtig, dass sich zu Anfang von Corona und der damit verbundenen Unsicherheiten alle die Inzidenz als Anhalt genommen haben. Aber im April 2021 hat man dann festgestellt, dass die Zahlen und die Aussagen dazu richtiggehend falsch sind.

Von daher hat die Bundesregierung als neuen Zähl- und Beschlusskraft die Hospitalisierungsrate beschlossen.  Denn nur mit der Hospitalisierungsrate lassen sich Inzidenz und Krankenhausbelastungen wirklich übereinbringen. Wenn Sie sich also hier nur auf die Inzidenz beziehen und das als Grundlage für den Beschluss vorbringen, so ist dies eben falsch.

Aber was ist denn nun wirklich los, wenn wir uns die heutige Inzidenz von 700 einmal genauer angucken und mit den fehlenden Zahlen ergänzen.

Wir haben heute z.B. in der Hospitalisierungsrate eine Intensivbettenbelegung von 86,8 Prozent ohne Corona und  2,6 Prozent mit Corona. Ca 11% der Intensivbetten sind noch frei. Und genau aufgrund dieser Zahlen gibt es eben keine Feststellung einer epidemischen Lage nationaler und landesweiter Tragweite.

Wenn Sie hier also nur mit Inzidenzen argumentieren, argumentieren Sie eben falsch. Denn wir könnten jetzt auch eine Inzidenz von 8000 haben und trotzdem wäre bei der derzeitigen Hospitalisierungsrate noch keine Alarmstimmung angebracht. Gerade wir als Politik müssen sachlich bleiben und die Einwohner nicht verängstigen oder gar Stimmung machen. Angst ist ein schlechter Ratgeber.

Natürlich will ich Sie aber darin bestärken, dass selbstverständlich Vorsicht angebracht ist.  Aber gerade zum Thema Vorsicht möchte ich hier mal deutlich was sagen: Wir wollen hier heute etwas beschließen, haben aber noch nicht mal die Maßnahmen ausgeschöpft die uns allen möglich sind.

Gerade mal 6 Personen sitzen hier mit Maske, ich weiß jetzt gar nicht wie viele wir jetzt genau sind, (Der Ratsvorsitzende erklärte wir sind 41 Ratsmitglieder). Danke Herr Vorsitzender für ihre Auskunft: Wir sind also 41 Ratsmitglieder und gerade einmal 6 Ratsmitglieder sitzen hier mit Maske. Also werden da schon mal die Möglichkeiten des Selbstschutzes nicht ausgenutzt. Warum nicht? Wenn es doch alles so schlimm ist?

Und dann gucken Sie sich doch bitte alle mal um. Wir/Sie sitzen hier jetzt zum wiederholten Male ohne Abstände. Wo ist denn die Bestuhlung hin, die zwischen jedem Ratsmitglied einen Abstand von 1,50 m nach vorne, hinten und zur Seite sicherstellte? Ich bin hier das einzige Ratsmitglied gewesen, dass seinen Tisch weiter nach hinten gezogen hat, um den Abstand sicherzustellen. Und Sie? Wir sitzen hier mit einem Abstand von teilweise maximal 50 cm zu zweit an den Tischen.

Wo sind da diejenigen auch heute zu Beginn der Sitzung gewesen, die jetzt hybride Sitzungen fordern und nicht gleich zu Beginn der Ratssitzung den Umbau und Auflockerung der Sitzordnung verlangt haben?

Wenn wir also nicht in der Lage sind, erstmal die Möglichkeiten und Optionen auszuschöpfen die wir haben, sondern gleich mit der Riesenkeule wieder hybride Sitzungen beschließen und fordern, dann läuft etwas falsch, da wir erstmal unsere Möglichkeiten ausschöpfen sollten, anstatt etwas zu beschließen, dass rechtlich gesehen, auf einer wackeligen Grundlage steht. An solchen Dingen sollten wir erstmal arbeiten, bevor wir immer die letzte Möglichkeit als Optionen nutzen.

Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit und wir als WAL werden daher dem Beschluss nicht zustimmen. Redetext Ende

In der abschließenden Abstimmung wurde folgendes Ergebnis erreicht:

30 Ja Stimmen, 10 Nein Stimmen und 1 Enthaltung angenommen. Damit war die notwendige 2/3 Mehrheit erreicht und der Rat wird bis zum Oktober 22 in hybrider Form tagen. 

Das Abstimmungsergebnis finden Sie hier: https://ris.langenhagen.de/bi/vo021.asp